Bericht vom Forum Renaissance der Genossenschaften

Den Titel „Grundrisse für bezahlbaren Wohnraum“ haben der DGB, Region München und der Mieterverein München bewusst gewählt. Denn die veröffentlichte Studie erhebt nicht den Anspruch, allumfassende und abschließende Konzepte für bezahlbaren Wohnraum gefunden zu haben. Die Studie ist vielmehr ein Grundriß und der Auftakt zu einer Kommunikationskampagne. Diese haben wir nun mit unserer ersten Forumsveranstaltung am 19. Januar gestartet.
Mehr als 60 Vertreter und Vertreterinnen der Politik, der Genossenschaften, der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, der Gewerkschaften, des Mietervereins, der Verwaltung und interessierte Bürgerinnen und Bürger diskutierten über das Thema „Renaissance der Genossenschaften“.
Zum Einstieg stellte Matthias Wirtz, Geschäftsführer der InWIS Forschung & Beratung GmbH, die Situation in Barcelona und in Kopenhagen vor. Die zwei europäischen Staaten verfolgten in der Vergangenheit grundsätzlich unterschiedliche Strategien im Umgang mit städtischem Wohnraum.
Spanien setzt auf das Prinzip „Eigentum vor Miete“. Dieses durchaus auch in der deutschen Diskussion oft vorgebrachte Prinzip hat in Barcelona zu vielen negativen Konsequenzen geführt. Allgemeine Wohnungsknappheit und teils exorbitante Preise, insbesondere kaum bezahlbare und verfügbare Mietwohnungen, unsichere Mietverhältnisse, spekulatives Gebaren der Eigentümer (gewollter Leerstand, Mieter-Mobbing). Der mangelnde Wohnraum für sozialschwache Haushalte führt zu deutlicher Segregation. Selten ist auch nur ein Haus in einer Hand, es dominiert das Teileigentum, was zu einem Instandhaltungsstau führt. Barcelona fehlt ein nachhaltig und verantwortlich bewirtschafteter Mietsektor. Der Erhalt von Mietwohnungen in der Hand verantwortlich handelnder Wohnungsunternehmen und -genossenschaften ist wichtig. Das Beispiel Barcelona verdeutlicht noch einmal die wichtige Rolle der Genossenschaften in der Wohnraumversorgung für alle Bevölkerungsschichten.
In eine ganz andere Richtung geht die Wohnungspolitik in Kopenhagen. Hier wurden durch das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen über gesetzliche Vorgaben Genossenschaften als gewünschte Organisationsform privilegiert. Bewohner erhielten das Vorkaufsrecht, wenn sie sich zu einer kleinen Genossenschaft zusammenschlossen. Heute befindet sich fast ein Drittel des Kopenhagener Wohnungsbestandes im Besitz dieser Kleingenossenschaften. Der Genossenschaftsgedanke ist breit verankert und die neuen Genossenschaften brachten sich aktiv in die Stadtgestaltung ein. Um dies auch in München zu fördern, bräuchte es eine Gründungsberatung und die Unterstützung in der Finanzierung. Zusätzlich braucht man einen klaren rechtlichen Rahmen, Wirtz plädierte an dieser Stelle für ein Umwandlungsverbot, insbesondere in den zentralen und beliebten Stadtteilen der Landeshauptstadt.
Jörg Kosziol, Mitglied des Vorstands des Bauvereins München Haidhausen eG, machte in seinem Statement zunächst deutlich, was die Herausforderungen für Altgenossenschaften im Bereich Neubau sind. Nicht zu unterschätzen seien die hohen Kosten für die Erhaltung der bestehenden Wohnungen, die eine Genossenschaft zu schultern habe. Gleichzeitig müsse auch der Auftrag der Mitgliederförderung ernst genommen werden, bei Neubauprojekten müssen die Mitglieder mitgenommen werden und es dürfen dadurch keine Nachteile für die Bestandswohnungen entstehen. Dafür könne eine Altgenossenschaft im Gegensatz zu den neuen Genossenschaften auf mehr Erfahrung und Kapital zurückgreifen. Aktuell sind das Hauptproblem die sehr hohen Bodenpreise, die zu einem Mietniveau führen, das im Luxusbereich liegt. Hier ist die Unterstützung der Landeshauptstadt München gefragt, Genossenschaften müssen zu anderen Preisen kaufen können. Dies soll natürlich nicht ohne Gegenleistung erfolgen. Die Genossenschaften wären bereit, sich auch längerfristig zu verpflichten, die Mietpreise stabil und die Wohnungen im Bestand zu halten.
Zur Frage, ob das Kopenhagener Model in München auch umsetzbar wäre, ist Kosziol skeptisch. Das Genossenschaftsrecht in Deutschland sei nicht einfach und mit einer hohen Verantwortung verbunden, so haftet z. B. der Vorstand u. U. mit seinem Privatvermögen. Es sei fraglich, ob sehr viele Menschen Interesse daran hätten, dies auf sich zu nehmen.
Christian Stupka, Vorstand der GIMA München eG stellt die Ziele und die Aufgaben der GIMA vor. Er weist darauf hin, dass Genossenschaften mehr leisten als bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Sie bringen sich in die Stadtplanung ein, initiieren Nachbarschaftshilfen, stellen kleinteilige Gewerberäume zur Verfügung und erwirtschaften damit eine soziale Rendite für die Stadt. Die Stadt muss sich fragen, was ist ihr dies wert, dass es noch einen Zwischenschritt zwischen Markt und sozialen Wohnungsbau gibt? Neben den Bodenpreisen leiden die Genossenschaften auch unter der fehlenden öffentlichen Förderung für mittlere Einkommensschichten in München. Er unterstützt ausdrücklich den Beschluss des Münchner Stadtrats, die Staatsregierung aufzufordern, ihre Förderungsprogramme für  den genossenschaftlichen Erwerb von Mietshäusern zu öffnen.

Zum Schluss möchten wir die Diskussion der Forumsveranstaltung dokumentieren.
Städtische Förderung von Genossenschaften
Wir brauchen eine neue städtische Förderung für Genossenschaften, damit Genossenschaften trotz der hohen Bodenpreise wachsen können. Im Gegenzug sollten sich die Genossenschaften über einen langen Zeitraum verpflichten, preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen und die Wohnungen im Bestand zu halten. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob nur für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen Wohnraum gefördert werden sollte, oder ob die Belegung vom Einkommen unabhängig sein sollte, um eine bunte Mischung zu erreichen. Genauer diskutiert werden sollte auch das Hamburger Model, das bestimmte Gebiete nicht rein nach Preis, sondern über ein bestimmtes Konzept ausschreibt.
Erbpacht
Aktuell führen die hohen Bodenpreise bei vielen Eisenbahn- und Postgenossenschaften zu großen Schwierigkeiten. Die Erbpachtverträge laufen aus, sie müssen beim Bund die Grundstücke kaufen. Doch bei den aktuellen Bodenpreisen ist dies unmöglich. Deshalb wäre es wichtig, dass der Bund die Erbpachtverträge zu verlängert.
Hürden
Unterstützung wünschen sich die Genossenschaften in Sachen Nachverdichtung. Viele Auflagen stellen hohe Hürden dar, insbesondere der Denkmalschutz in seiner jetzigen Form verhindere viele sinnvolle Projekte. Dasselbe gilt für die Stellplatzverordnung.
Der Genossenschaftsgedanke
Der Genossenschaftsgedanke muss in der Gesellschaft besser verankert werden. Überlegenswert wäre es deshalb ein Planspiel zum Thema „Genossenschaften“ in Schulen anzubieten.
Umwandlung
Große Unterstützung erfährt der Vorschlag, sich am Hamburger Model zu orientieren und eine Umwandlungsverordnung zu erlassen, die zu mindestens einen Genehmigungsvorbehalt der Kommune festlegt. Hier muss weiter Druck auf die Politik ausgeübt werden. Wenn man das Beispiel Kopenhagen aufgreift, wäre eine Erweiterung einer Umwandlungsverordnung sinnvoll. So sollten Mieter und Mietergenossenschaften ein Vorkaufsrecht erhalten. Dies wäre für die Bereiche außerhalb der Erhaltungssatzung wichtig, da dort die Stadt kein Vorkaufsrecht hat.
Größe von Genossenschaften
Im Bezug auf Kopenhagen werden auch die Möglichkeiten von Kleingenossenschaften diskutiert. Gerade im Bezug auf ein professionelles Wohnungsmanagement sind Kleingenossenschaften schwierig. Bestimmte Möglichkeiten, wie der Wohnungstausch innerhalb der Genossenschaft, um den Wohnraum je nach Lebenssituation bestmöglich auszunutzen, haben kleine Genossenschaften nicht. Viele kleine Genossenschaften gehen deshalb unter ein Dach wie bei WOGENO oder suchen sich eine Altgenossenschaft als Partner.